Horchturm Pelzerhaken e.V.
Blick von oben - 52 Meter Höhe
Das Aussengelände des Horchturms in Pelzerhaken
Presseartikel:
Lübecker Nachrichten - online vom 12.07.2022 von Markus Billhardt
Pelzerhaken: Warum der Horchturm nicht besichtigt werden darf
Der ehemalige Horchturm der Bundeswehr in Pelzerhaken steht seit 30 Jahren leer. Ein Verein möchte ihn wieder mit Leben füllen. Erstmals gab es jetzt eine Führung. Weitere sind jedoch nicht mehr erlaubt. Das ist der Grund.
Pelzerhaken. Es ist ein Relikt aus alten Zeiten, der ehemalige militärische Aufklärungsturm der Bundes-marine in Pelzerhaken. Seit 30 Jahren steht er leer. Ein Verein möchte den Horchturm wieder zum Leben erwecken und hat dafür einige Ideen. Am Sonnabend, 9. Juli, fand eine erste Führung statt, doch weitere geplante Besichtigungen mussten abgesagt werden. Hintergrund ist, dass dafür keine Nutzungserlaubnis von der Stadt Neustadt vorliegt.
„Das ist wirklich schade. Führungen sind leider nicht mehr möglich. Aber das war wohl auch unser Fehler“, sagt Andreas Vennewald vom Verein Horchturm Pelzerhaken. Man habe dies mit der Stadt Neustadt als Besitzer nicht abgesprochen. „Wir und von uns beauftragte Personen haben ein Begehungsrecht“, erläutert Vennewald weiter. Sie hätten den Ortstermin als Werbemaßnahme gesehen und die ange-meldeten Teilnehmer hätten auf eigene Gefahr den Turm betreten. Der Verein habe auch extra eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.
Horchturm bietet imposanten Ausblick aus der 9. Etage
„Es war eine sehr interessante und spannende Sache, dieses imposante Gebäude endlich einmal von innen sehen zu können“, berichtet Bernd Opitz, der den Rundgang mitgemacht hat. „Wir kamen bis in die 9. Etage, immerhin fast 40 Meter hoch. Ein imposanter Ausblick belohnte die Mühe des Hochsteigens.“ Er habe selten so interessante Infos über die Region erhalten. Es bleibe zu hoffen, dass der Turm endlich eine Nutzung erfahre und weitere Führungen und andere Veranstaltungen, vor allem für die Bildungs-arbeit über die Geschichte, möglich gemacht werden.
Vertrag mit der Stadt erlaubt keine Nutzung
„Die Anlage befindet sich in einem FFH-Gebiet, einem besonders geschützten Bereich“, erklärt Neustadts Bürgermeister Mirko Spieckermann (parteilos) auf Anfrage der LN. Im Rahmen der Anhandgabe des Turms an den Verein sei festgehalten worden, dass Verträglichkeitsprüfungen zu machen sind. Ohne diese könnten keine Veranstaltungen, auch keine Führungen, stattfinden. Gerade weil es sich eben auch um ein Schutzgebiet handele.
„Das ist für uns natürlich ein Schlag ins Kontor“, sagt Vennewald. Die Besucher würden ja nur die bereits vorhandenen Wege nutzen und außerdem stünden ja eh immer wieder Leute vor der Tür. Betreten dürfen sie den Turm jedoch nicht. Die Hauptaufgabe ist jetzt bis März 2023 eine Machbarkeitsstudie und ein Nutzungskonzept vorzulegen, die den Brandschutz, den Sicherheitsaspekt, die Betriebskosten und auch das FFH-Gebiet berücksichtige. „So eine Studie ist sehr teuer. Wir sind schon am Geld sammeln, aber für einen kleinen Verein ist das recht schwierig.“
Bereits vor einem Jahr sprach Vennewald davon, dass die Machbarkeitsstudie etwa 50 000 Euro kosten könnte. Mit einer Förderung, zum Beispiel durch die Aktiv-Region würden immer noch eine Stange an Eigenmitteln aufgebracht werden müssen. Es gebe viel zu tun, um den Horchturm wieder zu reanimieren, betont der Vereinsvertreter. Er verdeutlich aber: "Die Begeisterung für den Turm ist da. Das hat die Besichtigung gezeigt." Viele hätten auch ihr Interesse am Verein bekundet.
Geschichtsträchtiges Fanal der Freiheit
Für die damalige DDR war der Turm ein Fanal, ein weithin erkennbares Zeichen, der Freiheit. „Wir wollen mit Führungen und Ausstellungen, zum Beispiel über die Fluchtgeschichten eine Begegnungsstätte schaffen und die politische Bedeutung hervorheben.“ Auch eine Sonnenuhr, die aufgrund des 82 Meter hohen Turms, die größte der Welt wäre, möchte der Verein installieren. Vennewald und seine Mitstreiter haben also noch viel vor. Sie müssen nun aber erst mal den Rückschlag verdauen.
Es gab schon verschiedene Versuche, den Turm zum Leben zu erwecken.
Aus den Artikeln der Lübecker Nachrichten:
Lübecker Nachrichten von 2014 :
"Investor für Horchturm
Der ehemalige Horchturm in Pelzerhaken soll verkauft werden. Dies teilte Heinrich Holtfester (CDU), Vorsitzender des Neustädter Hauptausschusses, gestern Nachmittag mit.
„Es gibt eine Firma, der wir das Grundstück für zwei Jahre an die Hand geben. Halbjährlich soll uns ein Planungsstand übermittelt werden.“ Wer dort bauen möchte, welche Nutzung angedacht ist und wie hoch der Kaufpreis ist, wurde nicht berichtet.
......Die Grünen kündigen Widerstand an. „Ohne Beteiligung des Umweltausschusses und des Bauausschusses werden hier Fakten geschaffen, aus denen die Stadt nicht mehr herauskommt, sollte es dem Investor gelingen, ein umsetzungsfähiges Projekt auf die Beine zu stellen“, so Böckenhauer.
Besonders kritisiert er, dass mitten im FFH-Gebiet (Schutzgebiet nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) gebaut werden soll."
Lübecker Nachrichten von 2006 :
"Tolle Pläne, die nie Wirklichkeit wurden
Es gab Pläne, exklusive Wohnungen einzubauen und ein Kletterparadies zu schaffen. Ebenfalls diskutiert wurde die Realisierung eines Greifvogelzentrums sowie die Eröffnung eines Hotels. Abrissgedanken seitens der Stadt Neustadt wurden aufgrund enormer Kosten verworfen. Somit bleibt der Horchturm weiterhin fast komplett ungenutzt. Lediglich der Tourismus-Service lagert derzeit einige Sachen im Inneren. Zudem befinden sich Funkantennen von Telekommunikationsunternehmen in luftiger Höhe.
Damit bleibt der Turm auch mehr als 20 Jahre nach dem Erwerb vom Bund ein großer Klotz am Bein der Stadt. Markus Prieß erinnert daran, dass vor mehr als 20 Jahren nicht nur der Turm, sondern auch noch rund 95 Hektar Land zwischen Rettin und Surfcenter Pelzerhaken erworben wurden. Erschwert wird die Situation dadurch, dass sich das Bauwerk, von dem früher der Osten beobachtet wurde, mitten in einem FFH-Gebiet (spezielles Naturschutzgebiet) befindet......"
"PelzerhakenHorchturm-Pläne stoßen auf Ablehnung
Neustadts Bürgermeisterin fehlt Wirtschaftlichkeit — BUND schließt Zusammenarbeit mit Rolf Hoffmann aus.
Pelzerhaken
Rolf Hoffmann (80) aus Großenaspe will den Horchturm in Pelzerhaken nutzen. Neustadts Bürgermeisterin Dr. Tordis Batscheider (SPD) hat Bedenken bezüglich der Finanzierung und erteilt dem Vorhaben eine Absage. „Es fehlt ein Konzept und die Wirtschaftlichkeit ist nicht gegeben“, betont sie. Dennoch soll die Idee noch einmal im Hauptausschuss vorgestellt werden. Schließlich entscheidet dieser, ob die Planung vorangetrieben wird."
Der
Der Horchturm Typ M
Die Aufklärungstürme der Bundeswehr wurden von den EloKa-Einheiten von Heer, Luftwaffe und Marine der Bundeswehr an der Deutsch-Deutschen Grenze und der Grenze zur Tschechoslowakei aufgestellt und betrieben, um die Streitkräfte des Ostblocks aufzuklären. Die Türme der Luftwaffe übermittelten ihre Ergebnisse dem Fernmeldebereich 70 der Luftwaffe in Trier zur zusammenfassenden Auswertung und wurden Fernmeldesektor - Türme genannt.
Auch die Staatssicherheit der DDR hatte den Turm im Blick. Die Spionage gerade in Schleswig-Holstein war für den DDR-Geheimdienst sehr wichtig, denn die maritime Kriegsführung spielte ein große Rolle in der Strategie eines eventuellen Krieges.
Die Türme befanden sich in unmittelbarer Nähe zur Grenze, teils in Sichtweite zu ihren östlichen Gegenparts. Sie waren mit umfangreichen Geräten zur Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung ausgestattet. In einem Turm waren in der Regel circa 200 Soldaten im Schichtbetrieb beschäftigt. Diese waren in einer Kaserne in der Umgebung untergebracht.
Der Turm in Pelzerhaken, erbaut 1972 wurde von der Bundesmarine, Marinefernmeldesektor 73 betrieben.
Am 30.09.1992 war Dienstschluss und der Turm wurde einige Jahre später der Stadt Neustadt übergeben.
Gleichzeitig bildete der Turm ein weithin sichtbarer Orientierungspunkt, den auch die Menschen in der DDR sehen konnten, sofern sie an die Küstenabschnitt gelangten. Zwischen dem 13. August 1961 und dem 9. November 1989 war die Ostsee die Grenze zwischen der DDR und der Freiheit und Teile der Küste für die Menschen in der DDR gesperrt. Die Ostsee bildete eine geheime Mauer, kaum sichtbar und dennoch Ort der Sehnsucht und gefährlicher Fluchtweg. Hier gab es zwar keine Mauern mit Selbstschussanlagen, dafür aber meterhohe Wellen und raue Stürme. Trotzdem wagten tausende Menschen den Weg übers Meer. Viele kamen dabei ums Leben.
Nach Schätzungen gab es zwischen 1961 und 1989 fast 6.000 Fluchtversuche über die Ostsee, und das unter gefährlichen Bedingungen, schwimmend, mit Luftmatratze, mit Kanu, mit Faltboot, sogar zu Fuß über die zugefrorene Ostsee.
Fast 1.000 DDR-Bürger sollen auf diesem Weg in die Freiheit geflüchtet sein. Die meisten Fluchtversuche allerdings scheiterten, viele wurden von DDR-Grenztruppen gestellt und mussten ins Gefängnis. Über 175 Erwachsene und Kinder kamen dabei ums Leben. Auch deshalb ist der Turm in Pelzerhaken ein interessantes Denkmal der Zeitgeschichte.